Wagenburg Osnabrück
ÖKOSOZIALER LEBENSRAUM Alternatives Gemeinschaftsprojekt
Auf das im Stadtgebiet von Osnabrück gelegene und „WabOS“ genannte Projekt wurde ich zufällig aufmerksam. Aktuell ist das Vorhaben – und auch angrenzende Grundstücke – dadurch gefährdet, dass die Stadt händeringend Grundstücke für den Wohnungsbau sucht.
Das Projekt besteht seit über 20 Jahren auf einer 7000 m2 großen von der Stadt gepachteten Fläche am westlichen Stadtrand und wird z. Zt. von 10 Mitgliedern verschiedener Altersstufen bewohnt, die sich hier wohl und verwurzelt fühlen – einige leben schon seit 16 Jahren hier. Die TeilnehmerInnen wohnen in über den Platz verteilten, kreativ gestalteten und selbst ausgebauten Bauwagen. Das verwendete Baumaterial entspricht meist ökologischen Kriterien und ist z. T. recycelt. Oft kommt Besuch von FreundInnen, Bekannten und Interessierten, so dass die Idee des gemeinschaftlichen und ökologischen Lebens auch anderen Menschen nahegebracht werden kann.
Das Projekt ist organisiert mit der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Auf dem Gelände gibt es eine Komposttoilette und einen Kompostplatz. Für die Ofenheizungen in den Bauwagen dürfen keine Kohle-Briketts eingesetzt werden. Es gibt keinen Strom- oder Telefonanschluss. Der elektrische Strom wird per Photovoltaik selbst hergestellt, bei Veranstaltungen wird ein Generator angeworfen, ebenso zum Zwecke des Einsatzes von Werkzeugmaschinen; Regenwasser wird genutzt und Trinkwasser in Kanistern von außen geholt.
Das Gelände ist abwechslungsreich und ökologisch mit Büschen und sehr großen und alten Bäumen bewachsen. Die biologische Vielfalt, bezogen auf Pflanzen und Tiere, ist sehr groß. Die Eingriffe in die Natur sind minimalinvasiv. So konnten im Laufe der Zeit diverse Habitate entstehen, welche in gängigen Stadtgärten wenig bis gar nicht vorhanden sind. Die MitmacherInnen sind davon überzeugt, dass sich ihr Wagenplatz hervorragend in das Gelände einfügt, ohne die vorhandenen Lebensräume zu gefährden. Der steigenden allgemeinen Vernichtung von ökologischen Nischen und der fortlaufenden Umweltzerstörung werden neue Ideen entgegengehalten. So wäre bei Weiterbestand des Projekts auch gesichert, dass der „Grüne Finger“ erhalten bleibt.
Die BewohnerInnen probieren eine andere Form des Zusammenlebens aus, ohne soziale Isolation und Vereinzelung, die in der heutigen Gesellschaft – auch aufgrund der Wohnverhältnisse – um sich greift. Veranstaltungen werden gemeinsam organisiert, Entscheidungen nach dem Konsensprinzip getroffen – jede Stimme zählt. Außerdem sollen neue Wohn- und Lebensformen ausprobiert werden. Die Wagenburg wird als Freiraum verstanden, als Ort der Selbstverwaltung und Kreativität. Es wird auch Raum geboten für diverse Workshops und Kleinkunst. Ein Wagenplatz ist deshalb ein nicht wegzudenkender Stein im bunten Mosaik einer vielseitigen Stadt. Mit anderen Wagenburgen und Wohnprojekten wird über Grenzen hinweg ein reger Austausch gepflegt.
Die BewohnerInnen sehen die Situation der aktuellen Bedrohung nicht als isolierten Einzelfall, sondern verstehen ihn als Bestandteil des Trends zur Gentrifizierung der Städte, wie sie auf der ganzen Welt um sich greift. Gentrifizierung ist nicht gleichzusetzen mit Modernisierung, sondern mit einer weitgehenden Kommerzialisierung des Lebensraums Stadt. Dieser Sachverhalt führt leider auch zu einer ästhetischen Verarmung der Städte.
Von Verwaltung und Politik der Stadt Osnabrück wurde die Projektfläche im ersten Anlauf als mögliches Wohnbauland ausgewählt. Aufgrund der guten Öffentlichkeitsarbeit der BewohnerInnen sind inzwischen Grüne, Linke und Piraten sowie UWG (Unabhängige Wählergemeinschaft) für den Erhalt der Wagenburg; SPD und CDU setzen sich bislang leider für eine Bebauung ein und die FDP ist für eine Verkleinerung der Fläche. Vor dem Hintergrund, dass ein Bebauungsplan und ein Gutachten für die Gesamtfläche in Arbeit sind, herrscht zur Zeit Funkstille. Die BewohnerInnen hoffen, dass ihr schönes Projekt weiter bestehen kann.
Leider ist auch von einer Umsiedlung des Projekts seitens der Stadt die Rede. Dabei werden wenig attraktive „Alternativflächen“ angeboten. Entsprechend kann nur von „Verdrängung“ gesprochen werden. Wir wünschen uns, dass die Stadt sich eines besseren besinnt und dafür sorgt, dass dieses im ökoszialen Sinne interessante Projekt erhalten bleibt oder im besten Falle sogar gefördert wird.
Informationen gibt es unter: wabos.org Eine Unterschriftensammlung kann unter change.org (Suchfenster: wabos) unterstützt werden.